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Hans Peter Miksch   I   Das Ereignis: Material und Form

Kunst als geschlossenes System, denn wäre es nicht geschlossen, gäbe es kein System. Das ist es, was Waldemar Bachmeier vorführt. Tafelbilder nennt er gelegentlich in traditioneller Sprechweise die Wandstücke aus verschiedenen Materialien. Dabei bestehen sie zumindest aus zwei Tafeln oder aus einem Kasten, der an der Wand hängt. „one size“ betitelt er seine Serie, ausgerechnet bestehend aus Dyptichen.

Die Vorgaben sind karg, die Variationsmöglichkeiten unbegrenzt. So baut sich der Bildkörper selbst, denn welcher Mensch wäre in der Lage, zu sagen, welche Kombinationsmöglichkeit eintritt, wenn lediglich zwei Konstanten bzw. zwei Richtungen vorgeben sind? Und Bachmeier bringt regelmäßig drei Dimensionen in sein Spiel ein. Eine Dimension oder Konstante ist vorgegeben. Sie ist die erste Unterscheidung die der Künstler trifft. Jede weitere Unterscheidung schließt daran an, einerseits zwanghaft, dem System gehorchend und quasi rational, beispielsweise anschließend an den durch die vieleckige erste Form und den Kasten vorgegebenen funktionalen Kontext, anderseits diesen bereits verändernd (interpretierend) dadurch, dass sie sich selbst darstellt (die Farbe kann funktional sein, dem Kasten Volumen geben, ihn zur Leinwand oder zum Stein deuten, und zugleich kann sie als sie selbst wirken). Stuck auf Holz täuscht Marmorierung vor, wechselt über in schwere, Farbe ahmt Beton nach, wirkt gravitätisch. Wirkung und Imagination tauschen die Plätze, der Rezipient beteiligt sich an der hybriden Kommunikation. Ist es ein Bild, ein Objekt, eine Skulptur? So gesehen herrscht kein Konstruktivismus vor, sondern eine Bezugnahme auf die Idee des Konstruktivismus, die diesen bereits verändert hat. Immerhin verstehen wir, woran Bachmeier selbst anschließt, wie er Kunst anderer beurteilt, worauf er sich bezieht. In anderen Serien von Wandarbeiten sind die Schwere vortäuschende Holz-Hohlkörper eingeschlossen und überlappt von bzw. konfrontiert mit Glasscheiben und Glaskörpern: Ungeschliffene Kanten, Riffel- und Milch- oder Fensterglas, Schatten werfend, Licht brechend, Körperlichkeit umreißend, die Kanten zu Lineatur erhebend, das Sichtbare definierend durch seine Begrenzung und Begrenztheit. Wäre keine Polyvalenz, gäbe es keine Einheit als Basis. Das ist simpel und raffiniert gleichermaßen. Wir erkennen leicht gewisse Materialien, kennen ihre Konnotation, andere führen uns hinters (!) Licht, sind ungewöhnlich verwendet im Sinne eines „innovativen Tauschs“ (Boris Groys). Wir sehen Konstruktionen, die als Codes, als Unterscheidung wirken, die jedoch alles andere sind als „Realitäten“, während die Banalitäten (Bruchkanten, marmorierende Farbstruktur, willkürliche Trennungen der geometrischen Körper, Wandschatten etc.) mit einem Mal die Logik bestimmen, oder besser gesagt sie überschreiten. Und wie Roland Barthes * konstatierte, dass in „der Erzählung . . ., vom referentiellen (wirklichen) Standpunkt aus, buchstäblich: n i c h t s“ geschieht, sondern sich „ganz allein die Sprache“ ereignet, so ist für Bachmeiers Arbeite festzustellen, dass Material und Form Inhalt seiner Kunst-Stücke sind, sonst sich wirklich nicht ereignet. Doch dass das System sich selbst reproduziert und damit äußerst lebendig ist, und dass es zur hybriden Äußerung wird, auf die wir vielschichtig reagieren können, ist tatsächlich eine ganze Menge. * Anm. R.B., Einführung in die strukturale Analyse von Erzählungen (1966)
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